Hörspiel VÖ: 2004 Der Hörverlag

Text: Raoul Schrott
Musik: Helga Pogatschar

Regie: Ulrich Lampen
Sprecher: Friedhelm Ptok,
Christian Redl, Sophie von Kessel,
Jens Harzer, u.a.
Produktion: Bayerischer Rundfunk, 2003
Dauer: 170 min, 3 CDs

Tristan da Cunha, ein Eiland inmitten der unendlichen Verlorenheit des Südatlantiks, fernab aller Schifffahrtsrouten. Diese winzige Insel wird zum Brennpunkt für der Sehnsucht von vier Menschen aus verschiedenen Zeitaltern.

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Es haben nicht alle das Glück des Amerigo Vespucci, gleich einen ganzen Kontinent nach sich benannt zu sehen. Der Weltensegler Tristao d‘ Acunha konnte seinen Namen nur einer kleinen Insel einprägen, die eigentlich keiner kennt. Gäbe es nicht den Schriftsteller Raoul Schrott, der sie erneut entdeckt hat. Schrott liebt die Geschichten von Landeroberungen, Forschungsvorhaben, Inbesitznahmen fremder Welten, von Reisen in unbetretene Gegenden.
Doch um den gleichnamigen Portugiesen geht es dem Autor in seinem Roman „Tristan da Cunha“ gar nicht, sondern nur um jene Insel, die ihm den Namen verdankt. Und um vier Menschen aus vier verschiedenen Zeiten, deren Sehnsucht auf nichts anderes als dieses einsamste aller Eilande gerichtet scheint.
Aus der Gegenwart erzählt Aurora-Forscherin Noomi Morholt, die auf einer Station in der Antarktis ein fehlgeleitetes Paket mit von Bord nimmt: Darin enthalten sind die Aufzeichnungen der anderen drei dieses Erzähler-Quartetts. Mit Noomi stöbern wir in den Briefen des Edwin Heron Dodgson, eines Priesters und Bruder des berühmten Lewis Carroll, der einst nach Tristan reiste, um die dortige Gemeinde zum Glauben zu bekehren. Und selbst der Sünde namens Marah verfällt. Wir lesen in den Tagebüchern des Christian Reval, eines Landvermessers, der der Insel die Geografie beibringen will und dessen die Erde gleichsam liebkosender Leichnam erst Tage nach seinem Verschwinden gefunden wird – ohne Anzeichen für das, woran er gestorben war. Der Geschichtsschreiber aber ist Mark Thomsen, ein britischer Philatelist, der auf den Bögen seines Albums anhand der Briefmarken eine Historie der Post und eine Genealogie der sieben Familien der Insel niederlegt. Von dem erträumten Paradies und dem Sündenfall, dem Fegefeuer in Gestalt eines Vulkanausbruchs erzählt.
Alle sind sie auf der Suche nach sich selbst und ihrer Liebe, die in einer ewigen Wiederkehr bei allen drei Männern den Namen Marah trägt. Marah ist Meerfrau, Mutter und Maria, das ewig ersehnte, nie erlangte Wesen, jenes, das sich – wie auch die Insel – nicht vermessen, nur vermissen lässt. Und allein beim Klang ihres Namens ein Verlangen weckt, das unstillbar bleiben, nie aufhören wird: „Wir glauben an all das Schöne, solange es unerreichbar scheint.“ Das Paradies ist immer anderswo. Auf der anderen Hälfte der Erde, der anderen „Erdbacke“, wie Raoul Schrott das nennt.

Mit eigens komponierter Hörspielmusik von Helga Pogatschar.